Botschaft der Geschichte: Freundschaft wächst aus guten Taten und echtem Mitgefühl, nicht aus Perfektion oder Besitz.
Im großen, bunten Laubwald, wo das Moos weich wie Kissen war und die Bäume sich gegenseitig Geschichten erzählten, lebte ein kleines Eichhörnchen mit einem großen Problem: Es vergaß alles.
Das Eichhörnchen hieß Nico Nuss, und sein Pelz war so rot wie Herbstlaub in der Abendsonne. Sein Schwanz war so buschig, dass er beim Springen wie ein Fallschirm aussah. Und seine Augen blitzten vor Neugier – wenn er nicht gerade mal wieder etwas suchte, das er verlegt hatte.
Nico war ein wahrer Sammelmeister. Schon im frühen Herbst flitzte er durch das Unterholz, kletterte von Ast zu Ast, schnappte sich Eicheln, Haselnüsse, Bucheckern und sogar Tannenzapfen.
Er versteckte sie überall. In hohlen Baumstümpfen, unter dem Wurzelgeflecht einer alten Buche, in einem ausgedienten Vogelhaus, ja sogar in einem vergessenen Gummistiefel, der am Waldrand lag.
Nur – er konnte sich nie merken, wo.
„Ich brauche ein Nuss-Navi!“, seufzte Nico oft.
Oder: „Ein Eichhörnchen-Tagebuch. Kapitel 1: Unter dem Pilz links vom Ameisenhügel … oder war’s rechts?“
Die anderen Tiere kannten ihn schon:
Die freche Blaumeise Miri nannte ihn „Professor Verzettel“.
Der alte Dachs grummelte: „Junge, eines Tages wirst du über deine eigenen Verstecke stolpern.“
Und der kluge Uhu schmunzelte nur: „Manchmal führen verlorene Dinge zu großen Entdeckungen.“
Nico verstand das nicht. Noch nicht.

Der Kalte Tag
Der Winter kam leise, dann plötzlich. Schneeflocken rieselten auf den Waldboden wie Zucker auf einen Pfannkuchen. Die Zweige knackten unter Frost, und der Himmel hing schwer und grau über dem Land.
Nico wachte in seinem Nest auf, kuschelte sich noch einmal tief ins Moos – und hörte dann ein leises Geräusch.
„… Hallo? … Ist da jemand?“
Er spähte hinaus.
Am Fuß seines Baumes stand ein zitterndes Bündel Stacheln – ein junger Igel, der offenbar keinen Unterschlupf gefunden hatte.
„Ich heiße Ida“, sagte der Igel leise. „Ich hab mein Nest verloren … und ich hab Hunger.“
Nico zögerte keine Sekunde.
„Warte hier, ich hol dir was! Ich hab Nüsse versteckt. Viele. Nur…ich… muss sie finden.“
Er sprang los.
Er suchte im alten Astloch – leer.
Er buddelte unter dem Farn – Schneematsch.
Er kroch sogar in den Gummistiefel – voller Eiskristalle, aber keine Nuss.
Sein Atem dampfte, seine Pfoten waren klamm.
Er murmelte: „Komm schon, Nico. Denk nach … Wo hast du damals …“
Dann rutschte er aus.
Platsch! Direkt in eine tiefe Laubmulde, die unter dem Schnee versteckt gewesen war.
Er rappelte sich auf – und hielt den Atem an.

Der vergessene Ort
Er war in eine kleine Mulde gefallen, die von Steinen umrahmt war. Moos wuchs dort, obwohl alles ringsum gefroren war. Und in der Mitte lag – ein uraltes Eichhörnchen-Versteck.
Da waren Eicheln, Haselnüsse, Walnüsse … und etwas, das glänzte.
Ein kleines, verziertes Kästchen aus Holz.
Neugierig schob Nico den Deckel auf – und stutzte.
Darin lag keine Nuss.
Darin lag ein Brief. Und ein winziges, funkelndes Amulett in Form einer Eichel.
Der Brief war in feiner, krakeliger Pfotenschrift geschrieben. Nico las langsam:
„An das Eichhörnchen, das dies eines Tages findet:
Wenn du vergisst, wo deine Schätze liegen, denk daran – dein größter Schatz ist nicht das, was du vergraben hast, sondern das, was du teilst.
Dieses Amulett gehörte dem ersten Waldhüter unter uns. Wer es trägt, wird Freunde finden, wenn er Gutes tut.
Vergiss das nie.“
Nico blinzelte.
Er nahm das Amulett, das warm war, obwohl der Schnee auf ihn rieselte. Und plötzlich wusste er:
Dies war sein Moment.

Die Rückkehr
Nico rannte zurück durch den verschneiten Wald. Er stolperte, fiel, rappelte sich auf – und erreichte schließlich Ida, die zitternd unter einem Ast Schutz gesucht hatte.

Er reichte ihr zwei Haselnüsse und eine dicke Eichel.
„Die sind für dich. Und … ich hab etwas gefunden. Etwas Besonderes.“
Er zeigte ihr das Amulett.
Idas Augen wurden groß.
„Das ist wunderschön. Was ist das?“
„Ein Schatz“, sagte Nico.
„Aber nicht, weil er funkelt – sondern weil er mir geholfen hat, DIR zu helfen und wir jetzt Freunde sind.“
Und seitdem …
… wird im Wald nicht mehr über Nico gelacht.
Man nennt ihn Nico Nuss, den vergesslichen Helden.
Denn auch wenn er bis heute seine Verstecke oft nicht wiederfindet, erinnert er sich jetzt immer an das Wichtigste: Gute Taten vergisst niemand.
Und manchmal – wenn die Sonne auf das Amulett scheint – funkelt es wie eine goldene Eichel im Schnee.
Dann sagt die Blaumeise Miri leise:
„Vielleicht ist vergessen manchmal gar nicht so schlimm. Solange man das Richtige erinnert.“
Ende.
