Die Botschaft der Kurzgeschichte „Opa Otto und die singenden Schuhe“ ist, dass Freude und Glück sich vermehren, wenn man sie teilt.
In einem kleinen Dorf, umgeben von grünen Wiesen und hohen Bäumen, steht eine kleine Werkstatt. Dort arbeitete Opa Otto, der beste Schuhmacher weit und breit. Seit vielen Jahren flickte, nähte und polierte er Schuhe aller Art – von klobigen Wanderschuhen bis hin zu feinen Tanzschühchen.
Eines Tages geschah jedoch etwas Merkwürdiges. Opa Otto hatte gerade ein ganz besonderes Paar Kinderschuhe fertiggestellt – leuchtend rot mit goldenen Schnürsenkeln. Er stellte sie sorgfältig auf den Ladentisch, klopfte zufrieden auf das Leder und wollte sich gerade eine Tasse Tee einschenken, als plötzlich eine Melodie erklang:
„Lauf, spring, dreh dich um,
tanze fröhlich, voller Schwung!“
Opa Otto riss die Augen auf. „Hab ich das wirklich gehört?“ Er drehte sich langsam um und starrte auf die roten Schuhe. Die wackelten leicht, als würden sie gleich loslaufen.
Er traute seinen Ohren kaum. „Das gibt’s doch nicht! Schuhe, die singen?“ Er beugte sich näher heran, doch die Schuhe standen nun still und schwiegen.
„Hm“, murmelte er. Vielleicht hatte er sich das nur eingebildet? Er nahm seine Teetasse, nippte daran und setzte sich in seinen alten Lehnstuhl. Doch kaum hatte er sich bequem zurückgelehnt, da erklang es wieder:
„Lauf, spring, dreh dich um,
tanze fröhlich, voller Schwung!“
„Oh, wirklich!“ Opa Otto sprang auf. „Ich werde doch nicht langsam verrückt?“
Er griff nach den Schuhen und drehte sie in seinen Händen. Sie sahen aus wie ganz normale Schuhe – weich, gut verarbeitet, ohne Zauberstaub oder versteckte Knöpfe. Kopfschüttelnd stellte er sie zurück.
Die Nachricht verbreitet sich
Am nächsten Tag sprach sich die Geschichte wie ein Lauffeuer im Dorf herum. Kinder drückten sich die Nasen an Opa Ottos Fensterscheibe platt, während Eltern sich tuschelnd vor der Werkstatt versammelten.
„Hast du schon von den magischen Schuhen gehört?“ Fragte Frau Müller den Bäcker.
„Wenn das wahr ist, will ich auch so ein Paar!“, rief der kleine Tom begeistert.
Immer mehr Kinder kamen in die Werkstatt, um die magischen Schuhe zu bestaunen. Als Opa Otto sie auf den Boden stellte, begannen sie erneut zu singen. Die Kinder hüpften vor Freude und klatschten im Takt.
Doch dann, am nächsten Morgen, der Schreck: Die Schuhe waren verschwunden!
Opa Otto suchte überall. Er durchwühlte seine Werkstatt, sah unter seinem Arbeitstisch nach und sogar im alten Schrank, wo er nie etwas hineinlegte. Die Schuhe blieben verschwunden.
„Wer könnte sie nur mitgenommen haben?“ murmelte er. Die Kinder im Dorf halfen ihm suchen. Sie sahen in den Gärten nach, in der Schule und sogar beim alten Brunnen. Doch nirgends waren die singenden Schuhe zu finden.

Ein leises Lied in der Ferne
Gerade als Opa Otto aufgeben wollte, hörte er in der Ferne ein leises Summen.
„Lauf, spring, dreh dich um,
tanze fröhlich, voller Schwung!“
Er spitzte die Ohren. Das Lied kam vom Dorfplatz!
Neugierig folgte er der Melodie. Als er dort ankam, sah er eine kleine Menschenmenge. Und in der Mitte des Platzes – da war die kleine Emma! Sie hatte die roten Schuhe an den Füßen und tanzte fröhlich umher. Ihre Beine wirbelten, ihre Arme schwangen, und ihr Gesicht strahlte vor Glück.
Die anderen Kinder klatschen begeistert mit, und selbst die Erwachsenen schmunzelten.
„Emma!“ rief Opa Otto. „Du hast die Schuhe?“
Emma blieb stehen und senkte den Blick. „Es tut mir leid, Opa Otto. Ich… ich wollte sie mir nur ausleihen.“
Opa Otto ging langsam auf sie zu. „Warum hast du sie mitgenommen, meine Kleine?“
Emma sah ihn mit großen Augen an. „Ich konnte noch nie so gut tanzen. Aber mit diesen Schuhen…“ Sie machte einen kleinen Hüpfer, und die Schuhe summten fröhlich weiter. „Sie helfen mir!“
Opa Otto kratzte sich nachdenklich am Kinn. Dann lachte er herzlich. „Ach, Emma, ich bin doch nicht böse. Diese Schuhe gehören zu jemandem, der mit ihnen glücklich ist. Und das bist du!“
Die Kinder jubelten, und Emma drehte sich noch einmal lachend im Kreis.

Die fröhlichsten Schuhe der Welt
Von diesem Tag an durften alle Kinder die magischen Schuhe ausprobieren. Manchmal trug sie Tom, dann wieder Mia, und jedes Mal sangen sie ihr fröhliches Lied.
Und wenn man genau hinhörte, konnte man an manchen Tagen den Klang eines leisen Liedes über den Dorfplatz schweben hören:
„Lauf, spring, dreh dich um,
tanze fröhlich, voller Schwung!“
Opa Ottos Werkstatt wurde nicht nur für die besten, sondern auch für die fröhlichsten Schuhe der Welt berühmt.